Deutschland, Ruanda, China 2013
Dokumentarfilm

Kinostart
22. August 2013

Apple Stories

Ein Film von Rasmus Gerlach

Hamburg, Ruanda, Hongkong und Shenzhen in China sowie Kairo sind die Stationen der Reise, die der Dokumentarfilmer Rasmus Gerlach aufsuchte, um die Herstellungskette moderner Handys am Beispiel des iPhones zu hinterfragen. Die Firma Foxconn ist mit ihren Produktionsmethoden hierbei zum Synonym für die Schattenseite des Smartphone-Hypes geworden. Der Gegensatz könnte krasser nicht sein zwischen dem Spektakel bei der Eröffnung des Apple Stores am Jungfernstieg und den Arbeitsbedingungen in den düsteren Zinnminen in Ruanda und den sterilen Fertigungshallen der Apple-Hersteller in China. Am Ende der Lieferkette steht in Hongkong Debbie Chan, die mit ihrer Aktivistengruppe gegen die skandalösen Arbeitsbedingungen beim Apple-Zulieferer Foxconn protestiert. Die Arbeiter werden so unter Druck gesetzt, dass die Selbstmordrate Schlagzeilen machte. Rasmus Gerlach gelingt es, Zugang zu einem Produktpiraten in der chinesischen Provinz zu bekommen. Wanderarbeiter kopieren dort unter strengster Geheimhaltung iPhone-Ersatzteile. Der Filmemacher trifft einen afrikanischen Geologen, der als Arbeitschutzbeauftragter vergeblich gegen Flip-Flops im Schacht und fehlende Helme ankämpft. Wissenschaftler aus Hannover versuchen, mit dem „geologischen Fingerabdruck“ die Spur der zur Handyproduktion notwenigen wertvollen Mineralien auf dem Weltmarkt zu verfolgen, um Schmugglern das Handwerk zu legen. Durch das lukrative Geschäft mit den Mineralien finanzieren sich die Bürgerkriegsparteien im Kongo.

INTERVIEW MIT DEM REGISSEUR 

Über seine Spurensuche zwischen Ruanda, China und St. Pauli.
von Rene Martens

Im Mittelpunkt Ihres Films steht das Metall Zinn, das für die Herstellung von Smartphones wichtig ist. Wie viel verdienen die Minenarbeiter in Nemba an der kongolesisch-ruandischen Grenze, wo sie gedreht haben?

Rasmus Gerlach: 40 Euro im Monat. Das sind oft Bäuerinnen und Bauern mit wenig Schulbildung, die lange Fußmärsche auf sich nehmen, um sich unter Tage nebenbei etwas dazu zu verdienen. Sie leisten extremste Schwerstarbeit, hier ist es wahnsinnig heiß, auch unter der Erde. Die Arbeit wird oft ohne Schutzmaßnahmen verrichtet. Die Leute gehen barfuß oder mit Flip-Flops durch die Gegend und tragen auch keine Schutzhelme - zumindest nicht, als ich dort war.

Wie lange waren Sie in Ruanda?

Rasmus Gerlach: Immerhin sechs Wochen. Ich hatte Glück, weil mir Kollegen vor Ort, die selber Filme in den Minen drehen, Basis-Knowhow vermittelt haben. Zum Beispiel, wie man sich in den weitverzweigten Minen geschickt mit einer Kamera bewegt.
Die haben mir dann auch geholfen, den seltenen Dialekt, der da in der einen Mine gesprochen wird, in englische Sprache zu bringen. Die offizielle Landessprache ist zwar Englisch seit dem Genozid von 1994, das heißt aber nicht, dass die Leute das können. Die Minenarbeiter haben sowieso kaum Schulbildung genossen, und Englisch ist für sie also eine Sprache, in der sie zwar einfachste Dinge kommunizieren können. Für ein Dokumentarfilm-Interview über Arbeitsbedingungen reicht das aber nicht.

Was sind das für Filme?

Rasmus Gerlach: Der Erzabbau in Ruanda ist in starkem Maße staatlich organisiert. Die Firmen, die dort tätig sind, ziehen sich schnell wieder zurück, weshalb gewisse Aufgaben dann doch vom Staat wahrgenommen werden. Für das zuständige Ministerium ist es wichtig, die Minen etwas freundlicher zu gestalten und da Kontrolle reinzubekommen. Deshalb beschäftigt man Filmemacher. Die sollen dort, sozusagen mit filmischen Methoden, nach dem Rechten schauen.

Gibt es andere Filme über den Arbeitsalltag in ruandischen Minen?

Rasmus Gerlach: Ja, aber seltsamerweise keine über Zinnminen. Zinn ist ein stumpfes Metall und gilt deshalb offenbar als unglamourös. Ich habe mich daher nach Gesprächen mit Experten von der Geologischen Hochschule in Hannover entschieden, mich auf dieses medial so unterrepräsentierte Metall zu konzentrieren.

In „Apples Stories“ fällt auch der Begriff „Konfliktmineralien“? Was genau hat man sich darunter vorzustellen?

Rasmus Gerlach: Mit Mineralien wird Geld verdient, das dazu dient, Waffen zu kaufen, die im wieder aufgeflammten Bürgerkrieg im Kongo zum Einsatz kommen. Das muss man sich folgendermaßen vorstellen: Eine Zinnmine wie die in Nemba hat ein Lagerhaus - das ist ein Schuppen, der irgendwo auf der Wiese steht. Diese Mine ist derart abgelegen, da kommt vielleicht einmal im halben Jahr ein Weißer vorbei. Da kann es schon mal passieren, dass jemand fünf Kilo Koltan aus dem Kongo durch den Wald schleppt und es in Nemba in den Schuppen stellt. So wird das Material durch die Bücher der Mine geschleust. Dann wird es nach China exportiert. So etwas hinterlässt keine Spuren.

Was kann man dagegen tun?

Rasmus Gerlach: Die bereits erwähnten Geologen aus Hannover versuchen, ein System aufzubauen, um festzustellen, wo diese Mineralien herkommen. Es ist heute schon möglich, dies mit Hilfe eines geologischen Fingerabdruck herauszufinden, es ist nur noch ein bisschen umständlich, weil man die Probe nach Hannover schicken muss. Bald wird es aber möglich sein, die Proben vor Ort in Ruanda zu analysieren. Ein entsprechendes Gerät wird mit deutschen Entwicklungshilfegeldern finanziert.

Über das Zinn schaffen sie auch eine Verbindung zu Handyschraubern aus Hamburg. Wie kamen Sie auf die Idee?

Rasmus Gerlach: Bei meinen zahlreichen Besuchen bei Handydoktoren in meiner Nachbarschaft fiel mir öfter auf, wie sie mit ihren Lötkolben Zinn zum Schmelzen bringen.

Wozu ist das gut?

Rasmus Gerlach: So lassen sich Risse beheben.

Im Film sieht man auch, wie Handydoktoren ein in Alufolie eingewickeltes Mainboard eines iPhones in einem Backofen erhitzen. Was hat es damit auf sich?

Rasmus Gerlach: Auch da geht es darum, Zinn zu verflüssigen. Zinn gibt es in unterschiedlicher Qualitätsabstufungen. Eine Möglichkeit, ein Gerät herzustellen, das möglichst schnell kaputt geht, ist, sogenanntes minderwertiges Zinn zu verwenden. Die Mine in Nemba, in der ich war, ist interessant, weil man dort relativ reines Zinn findet. Das fängt - anders als Zinn, das etwas Blei enthält - irgendwann an, rissig zu werden. Das ist für Elektronikgiganten hochinteressant, weil sie ein Gerät herstellen können, das innerhalb einer gewissen Zeit automatisch den Geist aufgibt. Der Vorteil dabei ist auch, dass niemand der Firma den Vorwurf machen kann, da sei ein Teil eingebaut, das so programmiert ist, dass es schnell kaputt geht.

Besonders angetan hat es Ihnen offenbar der Betrieb der Familie Cöluglu aus St. Pauli.

Rasmus Gerlach: Ich war fasziniert davon, dass ihre Handywerkstatt so etwas wie ein sozialer Knotenpunkt ist. Auch ein Imam aus einer nahe gelegenen Moschee ist häufig im Laden. Ich hätte auch gern in dieser Moschee gefilmt, aber das hat nicht geklappt. Auf diese Weise die Ebene der Religion mit in den Film hinein zu bekommen, wäre interessant gewesen, schließlich hat Apple ja auch etwas Religiöses.

Haben Handy-Läden gemeinhin nicht eher ein Schmuddelimage?

Rasmus Gerlach: Das rührt vielleicht daher, dass die Leute nicht genau hingucken. Handydoktoren haben schon viele Berufe ausgeübt, einer, der im Film vorkommt, war zum Beispiel Lehrer. Die werden auch später wieder andere Berufe ergreifen, aber momentan ist das Handyschrauben ein gutes Geschäft. Dramaturgisch stehen sie für eine die Gegenströmung zum großen Konzern, weil eigentlich an diesen Geräten nicht unbefugt geschraubt werden darf.

Im Gegensatz zu anderen Filmemachern haben Sie sich sich in China nicht nur mit dem berüchtigten Apple-Zulieferer Foxconn befasst. Sie konnten auch in einer hochmodernen Fabrik drehen, in der unautorisiert iPhone-Ersatzteile produziert werden. Wie kam es dazu?

Rasmus Gerlach: Da hat auch der Zufall eine Rolle gespielt. Ich darf dazu aber nichts weiter sagen, wir mussten versprechen, niemals jemandem zu sagen, wo diese Fabrik liegt. Und natürlich mussten wir unsere iPhones ausstellen, weil man uns darüber hätte orten können. Produktpiraterie wird künftig in China härter bestraft werden, zumindest, wenn es große Player wie Apple betrifft.

Im Film wird auch H.C. Starck erwähnt, eine deutsche Firma aus dem Harz, die wichtig zu sein scheint, aber kaum bekannt ist. Was stellen die her?

Rasmus Gerlach: Bestandteile von Prozessoren für Intel, die auch bei Apple verbaut werden. H.  C. Starck ist aus mehreren Gründen interessant - zum einen, weil sie einige Jahre über einen Subunternehmer die Mine in Nemba betrieben haben, zu anderen, weil die Historie der Firma geprägt ist von einer fast schon quacksalberischen Beschäftigung mit geheimnisvollen Stoffen. Da hat man schon seit Urzeiten mit seltenen Materialien experimentiert. Heute ist die Firma weltweit führend beim Recycling seltener Metalle.

Auf dem Firmengelände konnten Sie aber nicht drehen?

Rasmus Gerlach: Was in den Produktionsstätten vorgeht, unterliegt alles strengster Geheimhaltung, denn wenn die Chinesen zum Beispiel wissen, wie man das Schwermetall Wolfram recyclet, werden sie das auch machen. H.C. Starck hatte mir aber ursprünglich angeboten, die Verarbeitung des Erzes Coltan zu filmen. Vertreter des Unternehmens kamen dann aber auf die Idee, dass ich ein Storyboard davon zeichnen sollte, was ich genau in der Fabrik drehen wollte.

Ein sehr ungewöhnliches Anliegen.

Rasmus Gerlach: Dieser Sonderfall hat mich als Künstler aber erst einmal gereizt. Mich interessiert schon, wie man einen Dokumentarfilm vorplanen kann. Vor allem dann, wenn es darum geht, industrielle Prozesse greifbar zu machen. Schlussendlich war H.C. Starck mit dem Storyboard aber nicht glücklich. Ein Konzernverteter hat mir während der Recherchen gesagt, ein iPhone, das ethisch einwandfrei wäre, also die Lebensbedingungen der Arbeiter in Afrika und China nennenswert verbessere, würde in der Produktion lediglich einen Euro mehr kosten. Die Aussage konnte ich nun nicht mehr im Film unterbringen, ich finde sie aber wichtig. Immerhin sagt ein Minenverantwortlicher in Ruanda aus, dass H.C. Starck es versäumt hat, die Sozialabgaben und die Kosten für die Berufsgenossenschaft der Minenarbeiter abzuführen. Ein brisantes Detail – denn H.C. Starck hat sich auf Kosten der Ärmsten dort unten die Lagerhäuser voll gemacht.

Firmenvertreter von Apple kommen nicht vor. War das ursprünglich anders geplant?

Rasmus Gerlach: Ein Sprecher von Apple Deutschland war anfangs kooperativ, aber im Laufe der Dreharbeiten hat sich die öffentliche Meinung gegenüber Apple gewandelt. Da hat sich auch die Einstellung des Sprechers mir gegenüber verändert.

Woher kam Ihrer Ansicht nach der Stimmungsumschwung in der Öffentlichkeit?

Rasmus Gerlach: Das ist eher ein Zeitgeistphänomen: Dass man eine Marke, die man lange super fand, eines Tages nicht mehr so toll findet.

Was hatte der Sinneswandel des Apple-Sprechers für Folgen für den Film?

Rasmus Gerlach: Einige Filmschnipsel mit Steve Jobs, die Apple gehören, musste ich herausschneiden.

Aber es gibt doch unzählige TV-Bilder von Jobs, die man verwenden kann.

Rasmus Gerlach: Seine größten Auftritte hatte er auf dem Gelände des Konzern-Hauptquartiers in Cupertino. Die hat Apple selbst gefilmt und den Medien zur Verfügung gestellt. Das Material gehört also Apple. Steve Jobs ist quasi eine kreative Figur im Besitz der Firma. Anders gesagt: Die Firma ist im Besitz der Urheberrechte am Unternehmer. Das ist eine raffinierte Konstruktion, die juristisch weitreichende Folgen hat. Eine chinesische Firma musste Gummifiguren, die Steve Jobs mit einem iPhone in der Hand darstellten, aus dem Verkehr ziehen. Nach dem Motto: Man darf sich von dem Meister kein Bild machen.

Ein Mitarbeiter des Apple Stores in Hamburg, der anonym bleiben wollte, äußert sich in dem Film zu den Arbeitsbedingungen in seinem Laden, etwa zu Überwachungskameras in den Umkleidekabinen. War es schwer, ihn zu überzeugen, an Ihrem Film mitzuwirken?

Rasmus Gerlach: Das Kunststück war es, ihn zu finden, das hat letztlich dank eines Schneeballsystems geklappt. Den Mitarbeiter zu überzeugen, war dann nicht schwer. Er hat gern ausgepackt - und brauchte jemanden, dem er sich anvertrauen kann. Neuerdings haben zwar einige Apple-Läden einen Betriebsrat, aber als ich für den Film recherchiert habe, gab es diese Infrastruktur noch nicht. Mit diesen Betriebsräten ist es aber auch so eine Sache. Man weiß, dass es sie gibt, aber die Mitarbeiter haben die Anweisung bekommen, nicht zu sprechen. Das hat mir neulich gerade ein Mitarbeiter

Kürzlich ist Apple ist in die Schlagzeilen geraten, weil der Konzern mithilfe fragwürdiger, aber durchaus legaler Tricks Milliarden an Steuern eingespart hat. Hat Sie dieses ausgeklügelte System, das das Unternehmen ausgetüftelt hat, überrascht?

Rasmus Gerlach: Im Detail ja. Aber wenn man sich über Jahre intensiv mit Apple beschäftigt, überrascht einen im Prinzip gar nichts mehr.

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Crew

Regie
Rasmus Gerlach

Kamera
Thomas Bresinsky, Rasmus Gerlach, Irina Linke & Paul Kulms

Schnitt
Bettina Vogelsang & Rasmus Gerlach

Beratung
Brigitte Kirche

Produktionsleitung
Dunja Hamdorf

Mischung
Stephan Konken, Movieklang

Musik
Wolfgang Flür

Redaktion
Margit Schedler, Phoenix

Produktion
Moonlightzmovies

Kinostart22. August 2013
FSK0
Runtime83 Min.
TechSpecs16:9 HD Stereo

DVD nicht verfügbar.

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Coltan waschen in Ruanda
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Handy Doktor in Ägypten
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Hongkong Sacom Protest
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iPhone Fabrik
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Protest in Hong Kong
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Zinnstampfer in Ruanda
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