Deutschland 2015
Dokumentarfilm

Kinostart
8. September 2016

Dueguen-Hochzeit Auf Tuerkisch

Ein Film von Marcel Kolvenbach & Ayse Kalmaz

Synopsis

DÜGÜN – HOCHZEIT AUF TÜRKISCH ist einer der wenigen Dokumentarfilme in Deutschland, die sich mit dem alltäglichen Leben der türkischen community hier beschäftigen. Der Film bildet eine Normalität ab, die sonst nie in den Fokus der Öffentlichkeit gerät, weil diese nur dann aufmerksam wird, wenn etwas nicht funktioniert, wenn es Konflikte und Auseinandersetzungen jenseits dessen gibt, was das alltägliche Leben ausmacht.
Das Regieduo Ayse Kalmaz und Marcel Kolvenbach konnte dabei in der Konstellation einer türkisch-sprachigen Regisseurin und einem kameraerfahrenen Regisseur eine ideale Kombination für einen sehr intimen und offenen Blick auf die türkische Gesellschaft in Duisburg-Marxloh vorweisen. Sprachlich immer in der Lage, die Kommunikation direkt zu führen und mit einem möglichst kleinen Team von zwei Personen unterwegs zu sein, bedeutete für den Film den großen Vorteil, auch sehr persönliche Momente in den Familien und bei den Hochzeitsvorbereitungen einfangen zu können und so wirklich aus dem Inneren der türkischen Gemeinschaft erzählen zu können.

 

DÜGÜN entführt uns in die Welt der türkischen Hochzeiten, wie sie in Deutschland gefeiert werden. Hier in Duisburg-Marxloh, fast wie in einer Traumblase versteckt, ist eine funktionierende Gesellschaft entstanden aus türkischen Geschäftsleuten, die alles anbieten, was zu einer Hochzeit dazugehört: Kleider, schöne Frisuren, eine große Feier in einem festlichen Saal. Eine dynamische und erfolgreiche Gemeinschaft, in der sich alles um die Liebe und das Geschäft mit der Liebe dreht. Der Film gibt einen intimen Einblick in die Gefühlswelt junger Paare und ihrer Familien. Wir begleiten die jungen Menschen und die Elterngeneration bei den Fragen ob, und wenn ja, warum man überhaupt heiraten soll. Was die Liebe ist...
DÜGÜN zeigt die Suche nach Glück in einer neuen Heimat, die Sehnsucht nach einer Heimat in einem anderen Land. Wir erfahren von der Bedeutung der Hochzeit als etwas Unhinterfragbares, was das kulturelle Überleben fern der alten Heimat sichert. Denn man sieht sich auf Hochzeiten und nimmt Notiz davon, dass es den anderen gibt. Dass man nicht alleine ist. Dass alle kommen, weil man Teil einer Gemeinschaft ist und weil jedes Leben einen Höhepunkt braucht. Einen Höhepunkt, den alle bezeugen können.
DÜGÜN ist ein filmisches Manifest für einen weltoffenen, toleranten, europäischen Islam. Einen Islam, der mitten in Europa gelebt wird. Eine Hochzeit von Orient und Okzident wird hier gefeiert: bunt, laut, fröhlich, gegen den Hass von Islamisten und Rechten setzt der Film nicht nur das real gelebte Zusammenleben in den Vordergrund, sondern er rückt auch die Liebe ins Zentrum in Zeiten des Krieges.
Denn „ohne Hochzeiten kannst Du alles vergessen“.

REGIE

Die türkisch-kurdische Filmemacherin AYSE KALMAZ hat ihren ganz eigenen Blick auf die türkische Hochzeitskultur in Deutschland. Geboren in Izmir, ist sie mit 11 Jahren nach Deutschland gekommen. Sie kennt das Leben der türkischen Diaspora und den Stellenwert den die traditionellen Hochzeiten haben.

Marcel Kolvenbach: Seine Projekte haben ihn unter anderem zu den Koka-Bauern nach Südamerika und mit seinem preisgekrönten Film ´Atomic Africa´ in afrikanische Uran-Minen geführt. Zweimal wurde er für den Grimme Preis nominiert und gewann den Grimme Online Preis 2015.

 

 

DIALOG DER FILMEMACHER

 

DÜGÜN – HOCHZEIT AUF TÜRKISCH ist ein Film gegen den Zeitgeist. Er ist aus der Zeit gefallen, fast ein bisschen unzeitgemäß. Denn der Film sucht nicht den Skandal. Der Film birgt kein Empörungspotential, will keinen dissen, stellt niemanden an dem Pranger und keinen an die Wand. Er macht sich nicht auf die Suche nach dem Bedrohlichen im Fremden, sondern der Liebe und der Heimat.

Der Film ist auch ein Dialog zwischen den Filmemachern. Einer kurdisch-türkischen Filmemacherin, die die Erfahrung des Fremdseins in sich beheimatet und einem deutschen Filmemacher, der mit den Kindern der ersten Generation Gastarbeiter aufwuchs: Türken, Italiener, Spanier.

Ayse Kalmaz: Es war nicht die Brille der brennenden Medienberichte, durch die wir auf Duisburg Marxloh geschaut haben. Unsere Arbeit dort hat nicht danach gesucht, was eventuell demnächst explodieren könnte zwischen Türken, Deutschen, Roma, syrischen Flüchtlingen... Dügün ist ein sich Einlassen auf die Menschen dort und ein Erzählen von dem was wirklich zu beobachten war.

Marcel Kolvenbach: Für mich handelt der Film von der Selbstverständlichkeit des Zusammenlebens vieler Kulturen und Religionen. Das ist meine Realität, mein gelebter Alltag. Eine Normalität, die nicht in die Zeit des Shitstorms passt. Es ist ein Film gegen den Hass, gegen die krampfhafte Suche nach dem Skandal. Ein Film ohne jedes Empörungspotential.

 

Ayse Kalmaz: Wir haben erfahren was die Menschen bewegt, was sie antreibt, was es für sie bedeutet zu heiraten, mit Familie und Freunden eine Hochzeit zu feiern. Was für sie Liebe bedeutet und was für einen Stellenwert Hochzeiten haben, in der Gesellschaft, in der wir heute leben. Gerade für Menschen, die sogenannte "Fremde" sind, an einem Ort, der nun ihre Heimat ist.

Marcel Kolvenbach: Der Film ist nicht frei von Romantik und Gefühlen. Und es geht um starke Familien. Das macht vielen Deutschen Angst. Gefühle werden als „kitsch“ verdrängt und Familien als Beschneidung, Beschränkung individueller Freiheiten erlebt. Ich habe mir einen romantischen Blick erlaubt. Ich habe mit der Kamera nach den Bildern gesucht, die mich seit frühester Kindheit fasziniert haben, denn die Menschen vom Mittelmeer haben seitdem ich denken kann mein Herz erfüllt.

Ayse Kalmaz: Wir sind auf dieser Suche nicht der IS begegnet, nicht den Jugendlichen, die am Kölner Dom, Frauen gegenüber übergriffig geworden sind. Wir haben keine Väter getroffen, die ihre Töchter schlagen und einsperren. Keine Brüder, die Ehrenmorde begehen.

Marcel Kolvenbach: Wir haben keine Neonazis, keine Pegidas getroffen, keine Schlägertrupps, die durch die Straßen ziehen um all jene an die Wand zu klatschen, die für sie nicht ins Bild passen.

Ayse Kalmaz: Dieser Film sagt nicht, dass all diese Dinge nicht existieren.

 

Marcel Kolvenbach: Von manchen Dingen haben wir bei der Recherche ganz nebenbei erfahren: zum Beispiel den Schutzgelderpressungen unter denen nicht die Deutschen, sondern die Türkischen Händler leiden. Oder die zunehmenden Spannungen zwischen etablierten Migranten der dritten Generation und ganz neuen aus dem Balkan. Aber das war nicht unser Thema.

Ayse Kalmaz: Dieser Film entscheidet sich von einer Normalität zu erzählen. Von der Normalität einer Gesellschaft, die sich wandelt. Dass Menschen von einem Ort der Welt, an irgendeinem ganz anderen, fernen Ort der Welt ein zu Hause für sich finden können. Dass sie dort Hochzeiten feiern und Hochzeitskleider nähen und verkaufen können. Dass sie Sehnsucht haben nach Menschen und den Orten, die ihre Wurzeln verkörpern. Wurzeln, die ihnen Halt geben, in einer Welt, die immer größer und gleichzeitig immer kleiner wird.

Marcel Kolvenbach: Strukturwandel aus dem Herzen der Menschen. Wo vorher rauchende Schlote standen, stehen jetzt Industriedenkmäler. Die letzten Hochöfen werden eingeschmolzen oder nach China verkauft. Es gibt keine Arbeit, wenn die Menschen nicht selber neue Arbeitsplätze schaffen und die Hochzeiten sind so ein Strukturwunder, wie aus dem Nichts geschaffen. Blütenweiße Kleider aus schwarzem Ruhrpott-Staub.

Ayse Kalmaz: All das ist möglich. Mit all den Fragen, die wir als Gesellschaft beantworten können.

Marcel Kolvenbach: Ich glaube, dass Dügün ein Teil unserer Zukunft ist. Die Zukunft der Enkel der türkischen Migranten, die einmal kamen, um als Kumpel unter Tage zu arbeiten oder an den Hochöfen der Deutschen Stahlschmieden und heute mit Whatsapp mit ihren über die Welt verstreuten Familien vernetzt sind. Die Zukunft derer, die heute zu uns aus Syrien kommen, froh, mit dem Leben davongekommen zu sein und sich in 30, 40 Jahren die gleichen Fragen stellen werden, die die türkischen Eltern, die in unserem Film ihre Kinder zur Hochzeit begleiten.
Ayse Kalmaz: Die Zukunft, das sind meine türkisch/kurdisch/deutschen Kinder und Marcels ugandisch/deutschen Kinder. Die Kinder von unseren Protagonisten Ani und Erdem, Meltem und Harun, Melina und Süleyman werden sich nicht mehr mit Begriffen wie türkisch, deutsch, syrisch, kurdisch, spanisch definieren.

Marcel Kolvenbach: Die Zukunft kann nur gelingen, wenn sich unsere Kinder und die Kinder von unseren Protagonisten nicht versuchen, sich durch Herkunft und Sprache gegeneinander abzugrenzen, sondern wenn sie mit einer grösseren Selbstverständlichkeit, alles sein und leben können, was sie sind.

Ayse Kalmaz: Ich glaube, dass unser Fokus auf dieser Normalität liegen sollte. Auf dem Weg dahin nehmen wir auch unsere Ängste mit und unsere Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Sicherheit mit. Nur dass wir die Zugehörigkeit möglicherweise ganz woanders finden, als wir sie jetzt vermuten.

Crew

Regie
Marcel Kolvenbach & Ayse Kalmaz

Kamera
Marcel Kolvenbach

Ton
Ayse Kalmaz

Schnitt
Katharina Schmidt

Musik
Sinem Altan

Originaltonbearbeitung
Andrew Mottl

Endfertigung Ton
Christian Barth

Kinostart 8. September 2016
FSK0
Runtime89 Min.

DVD nicht verfügbar.

Video on Demand

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